Ist das Kunst oder kann das weg?

100 Meisterwerke – Heute: “ABAP/4-Report ZCO_ANL_KST”

REPORT zco_anl_kst.
TABLES: anla, anlz.

SELECT-OPTIONS: anlkl FOR anla-anlkl,
                bukrs FOR anla-bukrs.

SELECT * FROM anla WHERE anlkl IN anlkl AND bukrs IN bukrs.
   SELECT * FROM anlz WHERE anln1 = anla-anln1 AND
                            bukrs = anla-bukrs.
       WRITE: / anla-anln1, anla-bukrs, anlz-kostl.
       ULINE.
   ENDSELECT.
ENDSELECT.

kunstWas soll es bedeuten?

Wohl nur selten wurde in der ABAP/4-Sprache ein Programm von brutalerer Schlichtheit in die Bibliothek geschrieben.

Schockierend bereits der Anfang: Ohne jegliche Poesie werden uns die Tatsachen vor Augen geführt. ANLKL und BUKRS. Diese als Schnödheit mißverstehbare klare Sprache des Programmes springt uns förmlich an, will sagen: Du mußt deine Probleme schon selbst lösen, ich kann bestenfalls Hilfestellungen geben.

Allein die vollkommen layoutfreie Ergebnisliste zeigt uns mit martialischer Deutlichkeit, worauf es ankommt. Daran ändern auch die verspielt eingestreuten Querlinien nichts (Beweis für die Virtuosität des Autors bei der Anwendung des ULINE-Befehls). Diese wirken zunächst nur wie Beiwerk, ihre funktionale Einbindung in das Gesamtwerk erschließt sich dem aufmerksamen Betrachter jedoch am Ende der Liste. Die eingangs erwähnte Brutalität findet hier eine kaum für möglich gehaltene Steigerung: Die Liste ist am Ende und schließt mit einer Linie ab. War das alles? Und war alles nur ein Spiel?
Mit diesen unbeantworteten Fragen entlässt uns der Autor wieder in die Realität.

Man könnte die Frage nach dem Sinn dieses zweifelsohne genialen Meisterwerks aus der frühen Schaffensperiode des Künstlers vermissen. Ohne die Frage nach der Wahrhaftigkeit und Sinnhaftigkeit dieses Glanzstückes deutscher Programmierkunst bleibt der eigentliche Kern des Ganzen als auch die unverhohlene Frage nach der zwanghaften Divergenz des Resultats komplett im Dunkeln. Gleichwohl könnte genau dies dem Künstler in seinem Wahn vorgeschwebt sein: Die Brutalität durch die fehlende Sinnlosigkeit des Schaffens umso erbarmungsloser in den Vordergrund zu stellen.

Vielen Dank Mathias!

Enno Wulff
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